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Marxismus

Beiträge

Benedikt Kautsky

Wem gehört Karl Marx?

Eine Kritik an Leopold Schwarzschilds Marx-Monographie
Januar
1955

Das kürzlich bei Scherz & Goverts (Stuttgart) erschienene Buch von Leopold Schwarzschild: „Der rote Preuße, Leben und Legende von Karl Marx“, aus dem wir in Nr. 11 einen Abschnitt zum Vorabdruck brachten, hat mittlerweile in Deutschland heftige Zustimmung und noch heftigere Ablehnung gefunden. (...)

Friedrich Abendroth • Benedikt Kautsky

Marxisten und Nichtmarxisten

(Fazit der FORVM-Diskussion)
Juni
1955

Mit den beiden nachfolgenden Beiträgen beenden wir unsere in Heft 15 begonnene Diskussion, die versucht hat, das Phänomen des Marxismus (und seines Schöpfers) auf seine Haltbarkeit im Zusammenhang mit der Demokratie und im Licht der seit Marx erfolgten Veränderungen zu untersuchen. Daß diese (...)

Theodor Prager

Kritik einer Marx-Kritik

März
1967

Dr. Theodor Prager studierte Nationalökonomie an der London School of Economics, die lange Jahre als „hotbed of Communism“ galt. In der Tat ist Prager derzeit Mitglied des ZK der KPÖ, wo er dem progressivsten Flügel — in etwa: Antistalinismus und Revisionismus nach Muster der KPI — zugerechnet werden (...)

Georg Lukács

Die Sowjetunion ist nicht typisch

Zur Theorie der ungleichmäßigen Entwicklung bei Marx — I. Teil
April
1967

Zum 60. Geburtstag von Wolfgang Abendroth. [(Vorbemerkung Die hier veröffentlichten Darlegungen sind einem noch unvollendetem Buch „Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins“ entnommen. Da sie hier aus dem Zusammenhang des Ganzen herausgerissen werden mußten, ist es unvermeidlich, daß sie sowohl (...)

Antonio Gramsci

Gegen Versimpelung des Marxismus

April
1967

[(Antonio Gramsci ist der Begründer der italienischen KP. Wenn man sich unter einem Kommunisten einen sturen stalinistischen Apparatschik vorstellt, ist Gramsci das Gegenteil hievon — ein Denker hohen Ranges und, durch Absorption und Umformung der idealistisch-liberalen Philosophie seines Lehrers (...)

Georg Lukács

Geschichte und Literatur

Zur Theorie der ungleichmäßigen Entwicklung bei Marx — II. Teil
Juni
1967

Zum 60. Geburtstag von Wolfgang Abendroth. In seinen fragmentarischen Bemerkungen am Schluß der Einleitung zum „Rohentwurf“ behandelt Marx vor allem „das unegale Verhältnis“ in der Beziehung zwischen ökonomischer Entwicklung und so wichtigen gesellschaftlichen Objektivationen wie Recht oder, vor (...)

Max Adler

Marxismus ist nicht Materialismus

Juni
1967

Wenn man die neuen Entwicklungen im Marxismus des Westens wie des Ostens rnit einem Satz kennzeichnen will, ließe sich sagen: es vollzieht sich die Trennung des marxistischen Humanisrnus vom metaphysischen Materialismus. Zum geistesgeschichtlichen Ruhm des heute noch teils vergessenen, teils (...)

Arnold Künzli

Marxismus im Wandel

Oktober
1967

Das Charakteristische des zeitgenössischen Marxismus ist, daß es ihn nicht mehr gibt; denn was heute von erklärten Marxisten unter dem Namen „Marxismus“ vertreten wird, ist kaum mehr auf einen Nenner zu bringen. Bis zu einem gewissen Grad ist dies ein Reflex der in den letzten zwanzig Jahren (...)

Milan Machovec

Marxismus und Tod

Eine marxistische Theorie der Kommunikation IV.
Oktober
1967

Wir wollen den Abdruck dieses Essays nicht schließen, ohne unserer speziellen Freude Raum zu geben, daß der 42jährige Prager Philosoph nunmehr Mitglied des „Internationalen Komitees für den DIALOG im Neuen FORVM“ ist (vgl. August/September-Heft, S. 551). Kann ich also Kommunikation nicht nur mit dem (...)

Gerd-Klaus Kaltenbrunner

Mutmaßungen über Marcuse

Januar
1968

I. Soziologie als empirische Einzelwissenschaft, „die nichts als Soziologie ist“, versteht sich auf dem heute erreichten Niveau als „wissenschaftlich-systematische Behandlung der allgemeinen Ordnungen des Gesellschaftslebens, ihrer Bewegungs- und Entwicklungsgesetze, ihrer Beziehungen zur (...)

Walter Strolz

Vom Ungenügen der Wissenschaft

(II.)
Januar
1968

In der idealistischen Dialektik Hegels ist das Ziel der „Aufeinanderfolge“ der historischen Gestalten und Schicksale gemäß dem Schlußstück der „Phänomenologie des Geistes“ das absolute Wissen, „die Offenbarung der Tiefe, und diese ist der absolute Begriff“. In dem Augenblick, da die Wahrheit in ihrem (...)

Claus Gatterer (Übersetzung) • Georg Lukács
Glossen zur Zeit

Alle Dogmatiker sind Defaitisten

Mai
1968

Genosse Professor, Sie haben vor kurzem die Ansicht geäußert, daß sich in neuerer Zeit in der Welt eine Situation herausbilde, die dem zunehmenden Einfluß der marxistischen Lehre sehr günstig sei. Im Westen, sagten Sie damals, erfasse das Interesse für den Marxismus immer breitere Kreise und die (...)

Friedrich Geyrhofer

Von Marx bis zum Marxismus

Tucker, Calvez, Kägi
Mai
1968

Marxisten und Antimarxisten haben zu gleichen Teilen beigetragen, Namen und Werk von Karl Marx unter einem Schlamm von Klischees und stereotypen Polemiken zu begraben: Idol der einen, Schimpfwort der anderen. Der Kalte Krieg ordnete die intellektuelle Arbeit den Erfordernissen der Propaganda (...)

Otto Leichter

Austromarxistische Fußnoten

Zu Otto Bauers dreißigstem Todestag am 6. Juli 1968
Juni
1968

Ist der Zeitpunkt für jene Fußnote gekommen, von der Otto Bauer oft und gern sprach? Das Wort von der „Fußnote der Geschichte“ war seine zwischen Scherz und Selbst-Persiflage schwankende Einschätzung der Rolle, die ihm die Geschichte einst zuweisen werde. In hundert Jahren, sagte Bauer gelegentlich (...)

Giulio Girardi • Lucien Goldmann • Eduard Goldstücker • José-Maria Gonzáles-Ruiz • Robert Kalivoda • Günther Nenning • Rudi Supek • András Szennay

Die neue Revolution

Juni
1968

Die Internationale Redaktion des Neuen FORVM/DIALOG diskutiert mit 1000 Studenten im Hörsaal 1 der Universität Wien, 5. April 1968. Gesprächsteilnehmer: Giulio Girardi SDB, Prof. d. Päpstlichen Universität der Salesianer, Rom; Philosoph und Theologe. Lucien Goldmann, Prof. d. École Pratique des (...)

Herbert Marcuse • Harvey Wheeler

Gibt es noch Christen?

Ein Gespräch
August
1968

Humanismus Wheeler: Professor Marcuse, Sie gelten als einer der einflußreichsten Männer in einer relativ jungen Bewegung, die man bisweilen „marxistischen Humanismus“ nennt. Als erstes möchte ich gerne herausfinden, was das heißt. Was sind die Unterschiede gegenüber den anderen Marxismen? Gegenüber (...)

Arnold Künzli

Marxistica

August
1968

„Praxis“ Man kann es nicht genug bedauern, daß die Bücher der um die philosophische Zeitschrift „Praxis“ gescharten marxistischen Philosophen Jugoslawiens bei uns noch keine Übersetzer und Verleger gefunden haben. Das ist eine beinahe unverantwortlich zu nennende Informationslücke, bildet doch diese (...)

Predrag Vranitzki

Über die Notwendigkeit mehrerer Marxismen

April
1969

I. Das philosophische Denken ist wesentlich historisches Denken. Wenn Geschichte die Totalität menschlicher Praxis ist, dann hängt Philosophie, als Gedanke vom Wesen und Sinn dieser Praxis, selbst vom Niveau dieser Praxis ab. II. Mannigfaltigkeit und Vielschichtigkeit der (...)

Georg Lukács • Adelbert Reif

Deutschland, dein Marx!

Gespräch
Mai
1969

Kürzlich hat Rudolf Augstein ein Werk veröffentlicht, das sich mit der Problematik der Deutschen in ihren Beziehungen zu Friedrich dem Großen beschäftigt. Wenn man von dieser Problematik ausgeht ... Ich glaube, man muß allgemeiner beginnen: einerseits mit der Ablehnung jener Auffassung, nach der (...)

Kurt L. Shell

Lesers realistischer Sozialismus

Juni
1969

Zu seinem Buch „Zwischen Reformismus und Bolschewismus. Der Austromarxismus als Theorie und Praxis“, Europa-Verlag, Wien. Wäre das umfangreiche Buch Norbert Lesers über den Austromarxismus vor fünf Jahren erschienen, hätte man es als streitbares, gescheites, aber für die Gegenwart wenig relevantes (...)

Robert Havemann

Marx, reideologisiert

1. Teil des Essays „Dialektik des Materialismus“
Dezember
1969

R. H. nähert sich der Vollendung seines 60. Lebensjahres (geb. 11.3.10, München). Aus all seinen Ämtern verjagt (bis 1963 Mitgl. d. Volkskammer‚ bis 1964 Ordinarius u. Direktor d. Inst. f. phys. Chemie, Humboldt-Univ., bis 1966 Mitgl. d. Dtsch. Akad. d. Wiss.), lebt er nun von seiner Rente als (...)

Robert Havemann

Sind Materialisten naiv?

2. Teil des Essays vom Dezemberheft 1969
Januar
1970

Die Entwicklung des Neuen im Schoße des Alten vollzieht sich heute auch durch eine sehr bemerkenswerte Durchdringung aller ökonomischen und soziologischen Theorien mit den Termini und den Begriffsbildungen des Marxismus. Gleichzeitig beobachten wir eine starke Strömung zur Überwindung der (...)

Robert Havemann

Ehrenrettung der Dialektik

3. Teil des Essays „Dialektik des Materialismus“
Februar
1970

Die Marxisten streben nach einer Form der Gesellschaft, die zur Sicherung ihrer Existenz keiner Täuschung über ihr gesellschaftliches Sein bedarf. Sie streben nach der Aufhebung der Entfremdung, nach der Auflösung der gesellschaftlichen Funktion von Ideologien. Damit ruht der Marxismus nicht (...)

Robert Kalivoda

Marx mal Freud

März
1970

Von dem bedeutenden Prager Marxisten, Philosophieprofessor und Mitglied des internationalen Beirats des NEUEN FORVMS erscheint in der Reihe edition suhrkamp ein Band mit drei Betrachtungen über den „Marxismus und die moderne geistige Wirklichkeit“. Die nachfolgenden Erwägungen stammen aus dem (...)

Janos Brener • Georg Klos • Georg Lukács • Kalman Petkovic

Nach Hegel nichts Neues

Ein Gespräch
März
1970

Wir möchten mit einer persönlichen Frage beginnen. Was denken Sie über Ihr Leben? Womit sind Sie zufrieden und was scheint Ihnen daran unbefriedigend? Während ihrer 50 Jahre langen revolutionären und wissenschaftlichen Tätigkeit sind Sie geehrt und beleidigt worden. Was ist der Sinn von fünf (...)

Theodor Prager

Lukacs, Lenin und die Folgen

Eine Antwort
April
1970

I am Master of this College, What I dont know isn’t knowledge. (Balliol Rhymes) „Eine der schwersten Sünden des Marxismus“, meint Georg Lukács (NF, Anfang März 1970), „ist es, daß seit der Veröffentlichung von Lenins Werk über den Imperialismus im Jahre 1914 keine echte ökonomische Analyse des (...)

Iring Fetscher

Goethe für Fortschrittliche

Lukács-Laudatio, Paulskirche, 28.8.1970
Oktober
1970

I. F., Philosoph, Soziologe, Politologe, Ordinarius der Goethe-Universität Frankfurt, Mitglied der Internationalen Redaktion des NF, befaßte sich — ursprünglich protestantischer Theologe — mit Marxismus schon zu Zeiten, als dieser in Adenauers Reich noch des Teufels war: als Herausgeber der (...)

Georg Lukács

Goethe mal Marx

Oktober
1970

Rede zur Verleihung des Goethepreises der Stadt Frankfurt, 28. August 1970, verlesen in der Paulskirche (da Lukács gesundheitshalber in Budapest bleiben mußte). — Vgl. Günther Nenning, „Georg Lukács oder Die Flucht in die Ästhetik. Zu seinem 85. und zum Goethepreis“, NEUES FORVM, August/September (...)

Georg Lukács

Zur Ontologie des gesellschaftlichen Seins

Vortrag an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften
Februar
1971

I. Jeder weiß, daß in den letzten Jahrzehnten in radikaler Weiterbildung alter erkenntnistheoretischer Tendenzen der Neopositivismus mit seiner prinzipiellen Ablehnung einer jeden ontologischen Fragestellung als unwissenschaftlich, absolut herrschend war. Und zwar nicht nur im eigentlichen (...)

Georg Lukács

Ontologisches

Ein erster Teil erschien in NF Feb./März 1971
Juni
1971

G. L. starb am 5. Juni 1971, knapp vor seinem 86. Geburtstag. Eine Würdigung ist wahrhaft unnötig für Leser, die sein Werk kennen, und dies auch aus zahlreichen Aufsätzen in dieser Zeitschrift (vgl. Verzeichnis am Ende des Textes sowie: Günther Nenning in NF Anfang Sept. 1970, S. 855 ff., Iring (...)

Friedrich Geyrhofer

Klassenloser Kapitalismus

Michael Mauke, Die Klassentheorie von Marx und Engels, Europäische Verlagsanstalt Frankfurt
Oktober
1971

Den Inhalt der Marxschen Theorie haben ihre Gegner und ihre Anhänger in der Idee des Klassenkampfes komprimiert. Gegen sie richten sich praktisch alle Einwände, welche die Theorie Lügen strafen wollen. Versteht man traditionellerweise den Marxismus als die spezifische „Ideologie“ der (...)

Eva Vanja

Sozialismus trotz Armut

Zur Theorie und Strategie von Übergangsgesellschaften
März
1973

„Übergangsgesellschaft“ bezeichnet die Periode des Übergangs vom Kapitalismus zum Kommunismus (schließt also die Periode des Sozialismus mit ein). Zwischen der kapitalistischen und kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere.“ Marx und Engels (...)

Michael Siegert

Marx glaubt nicht an die Natur

Zur Kritik der Naturphilosophie. Plädoyer für einen antitechnokratischen Marxismus
Mai
1973

1 Mit Engels und Lenin zurück hinter Kant? Die marxistische Naturphilosophie hat seit je unter dem Handikap der vulgärphilosophischen Bücher von Engels und Lenin gelitten. Erst in jüngster Zeit scheint sich mit der „Entdeckung“ des Werks von Sohn-Rethel ein Ausweg abzuzeichnen. Der Hauptfehler von (...)

Friedrich Geyrhofer
Richard Vahrenkamp (Hrsg.):

Technologie und Kapital

September
1973

Richard Vahrenkamp (Hrsg.): Technologie und Kapital, edition suhrkamp, Frankfurt 1973, 234 Seiten, DM 7, öS 57,30. Kritik der Wissenschaft ist historisch eine Sache der Konservativen. Nietzsche beklagt, daß „die Ausbeutung eines Menschen zugunsten der Wissenschaften“ zur Selbstverständlichkeit (...)

Friedrich Geyrhofer

Kritik der Widerspiegelungstheorie

Die kastrierte Dialektik
September
1973

(2. Teil des Aufsatzes im NF Juli/August 1973) 1 Sinnlichkeit ohne Sprache Lenin insistiert auf seiner Widerspiegelungstheorie, weil er von jeder anderen Definition der Erkenntnis befürchtet, sie leugne die Unabhängigkeit der Außenwelt vom Bewußtsein, um den Materialismus auf den Schleichpfaden (...)

Horst Kurnitzky

Geld aus Opfer

Historisch-Mythologisches in der Triebstruktur des Geldes
Juli
1974

Die Welt-Inflation verwandelt das Geld aus einem rationalen Äquivalent mathematischer Berechenbarkeit in einen mysteriösen Zeiger kapitalistischer Krisenzuckungen. Wunderglaube und Magie tauchen wieder auf. Was da dran ist, erklärt der Berliner Anthropologe Horst Kurnitzy: daß das Geld nämlich (...)

Paul M. Sweezy

Ohne Rüstung Krise

Diagnose des amerikanischen Kapitalismus
Juli
1974

1 Illusionen der Keynesianer Bis auf wenige Ausnahmen stimmen die Ökonomen der kapitalistischen Länder, liberale wie konservative, darin überein, daß die Regierungen in den fast vier Jahrzehnten seit der Veröffentlichung von Keynes’ „General Theory of Employment, Interest, and Money“ über Mittel (...)

Friedrich Geyrhofer

Technokraten opfern Leistung

Juli
1974

Voltaire vergleicht in den „Lettres anglaises“ (1733) die friedliche Szene der Londoner Börse mit dem Gezänk der religiösen Fanatiker. Die Glaubensbekenntnisse und Sekten hetzen ihre Anhänger zu blutigen Religionskriegen auf, während an der Börse Mohammedaner, Juden und die untereinander verfeindeten (...)

Harry Magdoff • Paul M. Sweezy

Die Weltrevolution war ein Irrtum

25 Jahre linke Publizistik — ein Rechenschaftsbericht
September
1974

„In Wirklichkeit“, schrieb Lenin Anfang 1920, „hatten sich alle alten Formen der sozialistischen Bewegung mit neuem Inhalt gefüllt, vor die Zahlen trat deshalb ein neues Vorzeichen: das ‚Minus‘; unsere Neunmalweisen aber fuhren (und fahren) hartnäckig fort, sich selbst und anderen einzureden, (...)

José Baptista

Von der Kapitalbürokratie zur Sozialbürokratie

Bürokratie in Ost und West
September
1974

1 Die Ost-West-Links-Rechts-Verkehrung Die gegenwärtige Situation der Linken in den Industrieländern ist, offen gesagt, beklagenswert. Ein großer Teil dieser Linken ist schon etabliert oder ist gerade im Begriff, sich in das gesellschaftliche Establishment zu integrieren. Diesem Teil der Linken (...)

Aike Blechschmidt

Die Profitspirale

Ein marxistisches Modell zur Erklärung der Inflation
Januar
1975

Warum steigen die Preise seit dem Zweiten Weltkrieg nahezu ununterbrochen an? Warum klettern sie seit 1970 beschleunigt? Wie kommt es, daß selbst bei rückläufigem Absatz die Preise angehoben werden können, daß also wirtschaftliche Stagnation mit Inflation zusammenfällt („Stagflation“), wo es doch in (...)

Samir Amin • André Gunder Frank

Eins, zwei, drei — 1984 !

Januar
1975

Wie der Kapitalismus seine Krise überwinden will. Interview mit der italienischen Linkszeitung Il Manifesto. Manifesto: Die gegenwärtige Krise ist unserer Ansicht nach eine Phase der allgemeinen Krise des Gesamtkapitalismus. Dieser ist heute, selbst in Konjunkturzeiten, sowohl außerstande, die (...)

Aike Blechschmidt

Krise : 2

Produktions- und Absatzkrise 1929 und 1974: Ein Vergleich
Mai
1975

Aike Blechschmidt hat im Jänner/Februar-Heft des NEUEN FORVMS eine Diagnose der Inflation erstellt und sie dabei als Teilaspekt der Krise erklärt. Nunmehr versucht er sich an einer Gesamtschau, die etwas weniger dramatisch akzentuiert als der vorangehende Artikel des französischen Physikers (...)

Leo Gabriel • Ramiro Reynaga

Indianisiert den Marxismus!

Interview mit einem Ketschuaschriftsteller*
September
1976

Ramiro, warum willst du lieber ein Ketschuaschriftsteller sein als ein bolivianischer? Reynaga: Weil ich mich als Teil eines Volkes, einer Kultur, einer Rasse betrachte, die vor Tausenden von Jahren entstanden ist. Bolivien aber wurde erst im Jahre 1825 gegründet. Die Wirklichkeit, über die ich (...)

Josef Dvorak

Philosophie in Gelb

Ideologischer Bauchladen einer Programmdiskussion
September
1976

Die Untersuchung der Wahrheit kam von den Priestern weg, und Politici legten sich beyzeiten darauf. Jakob Brucker 1731 Obschon die Wissenschaft als Ganzes Unfug ist, ist sie lehrreich. Gottfried Benn Ein Philosophendach für die Schmidt-SPD Bis 1933 müssen in der deutschen Sozialdemokratie (...)

Dirk Ipsen

Raubvögel der Krise

Dramaturgie der westdeutschen Wirtschaftspolitik 1967 bis 1976
März
1977

Innerhalb des modernen Marxismus wird heftig über die Frage debattiert, ob der Staat durch seine Interventionen den Krisencharakter des Kapitalismus beseitigen könne. Der Darmstädter Nationalökonom Dirk Ipsen beschreibt in seinem folgenden Aufsatz die Grenzen des Staatsinterventionismus: Die (...)

Günther Nenning

Bloch, Terrorist

Oktober
1977

Er begründete Zukunft und konnte zuletzt nichts mehr sehen. Er philosophierte über „aufrechten Gang“ des Menschen und konnte zuletzt nicht mehr gehen. So starb er (am 4. August 1977 in Tübingen, 92 Jahre alt), Symbol seines „Prinzips Hoffnung“, dessen Wesen die Nichtenttäuschbarkeit ist wider alle (...)

Günther Nenning

Staatsverliebt wie der alte Hegel

März
1978

Lieber Horst Mahler, ich finde Deinen Text faszinierend, eine zukunftsträchtige Bankrotterklärung, ein Wende- und Umschlagspunkt in der Theorie der Linken. Im Schwenken und Schwanken von links nach rechts gibst Du vielleicht dem Dregger ein Stück allzu recht. Du bist ja fast so in den Staat (...)

Rudi Dutschke

Pfad-Finder

Herbert Marcuse und die Neue Linke
September
1978

Am 19. Juli wurde Herbert Marcuse 80. Sein Freund und Schüler Rudi Dutschke schrieb diesen Geburtstagsartikel für das Mitglied unseres Redaktionsbeirats Ende Juni/Anfang Juli, für unser Sommerheft war’s leider zu spät. Im nachhinein: Alles Gute! 1 Begegnung des Augenblicks (Nostalgie und die (...)

Günther Nenning

Kopfarbeiter aller Länder, vereinigt euch!

Zum Tod Herbert Marcuses, Mitglied des NF-Redaktionsbeirates
September
1979

0 Auf der Suche nach dem revolutionären Subjekt Ob Marcuse ein guter Philosoph war, weiß ich nicht. Ich glaub eher nicht. Aber es interessiert mich nicht wirklich. Den Lustgewinn, den Marcuse für uns Linke rehabilitiert hat, hol ich mir anderswo (Marx, Hegel, Augustinus). Hier geht’s nicht um (...)

Nicolas Tertulian

Lukács im Eck

Die letzten Jahre aus dem Nachlaß
März
1980

Nach seiner Beteiligung an den „ungarischen Ereignissen“ des Jahres 1956 auf der Seite der Regierung Nagy blühte Georg Lukács nur mehr im Verborgenen. 11 Jahre später wieder in die Partei aufgenommen, behielt er seine orthodoxmarxistische Position zwischen Stalinismus und Westlertum bei, bis zu (...)

Ernst Bloch

Der Maulwurf bohrt

Oktober
1982

Vor Fünf Jahren starb Ernst Bloch, 92 (geb. Ludwigshafen 8. Juli 1885, gestorben Tübingen 4. August 1977), Mitglied unseres Redaktionsbeirates. Es ist viel länger her. Es ist viel kürzer her. Zum Beweis der nachfolgende unveröffentlichte Text, gesprochen auf einem internen Symposion der (...)

Rudolf Burger

Die Welt im Katalog

Randglosse zur Expo
März
1991

I. Im Jahr nach der ersten Weltausstellung (London 1851) eröffnete ein gewisser Aristide Boucicault in Paris ein Straßengeschäft namens „Bon Marché“. Der Laden war das, was man heute eine „soziale Innovation“ nennen würde. Durch Einführung neuartiger Verkaufsprinzipien hat er den Einzelhandel (...)

Gerhard Scheit

Notbremse

Zur Aktualität einer Metapher Walter Benjamins
Juli
1991

1. Teil: Von Benjamin zu Marx (2. Teil: Von Marx zu Benjamin) Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotive der Weltgeschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse. Es ist dies (...)

Gerhard Scheit

Notbremse (II)

März
1992

Die Vertreibung aus dem Paradies der Produktivkräfte Von Karl Marx zu Günther Anders I: von Walter Benjamin zu Karl Marx erschien im Juli-Heft 1991, ein dritter Teil wird folgen. Es gibt einen jüdischen Witz, der auf marxistische Theorie stets schon großen Eindruck machte. Walter Benjamin und (...)

Werner Dallamaßl

Sag niemals nie

Juli
1993

Zu: Konrad Paul Liessmann Karl Marx *1818 †1989. Man stirbt nur zweimal. Wien, Sonderzahl Verlag, 1992, öS 198/DM 28 Vorerinnerung Soviel Ende war nie. Das Ende der Ideologien, das Ende des Realsozialismus/Kommunismus, das Ende des Kalten Krieges, das Ende der Industrialisierung, das Ende der (...)

Marxismus bei Wikipedia

Marxismus ist der Name einer von Karl Marx und Friedrich Engels im 19. Jahrhundert begründeten Gesellschaftslehre. Ihr Ziel besteht darin, durch revolutionäre Umgestaltung anstelle der bestehenden Klassengesellschaft eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen.

Karl Marx (1818–1883)
Friedrich Engels (1820–1895)
Karl Kautsky (1854–1938)
Lenin (1870–1924)

Der Marxismus ist eine einflussreiche politische, wissenschaftliche und ideengeschichtliche Strömung, die sowohl dem Sozialismus als auch dem Kommunismus zugerechnet wird. Als Marxisten werden seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Anhänger von Karl Marx und Friedrich Engels bezeichnet. Im weiteren Sinne ist Marxismus eine Sammelbezeichnung für die von Marx und Engels entwickelte Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie sowie für damit verbundene philosophische und politische Ansichten. Auch Personen und Denkrichtungen, die in spezifischer Weise an das Werk von Marx und Engels anschließen, werden zum Marxismus gerechnet.

Bekannte marxistische Strömungen sind der Orthodoxe Marxismus der frühen Sozialdemokratie (im Wesentlichen Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts), der Leninismus, der Marxismus-Leninismus, der Maoismus, der Trotzkismus sowie verschiedene Formen des Westlichen oder Neomarxismus, darunter die Frankfurter Schule und der französische Strukturalistische Marxismus, der italienische Operaismus, der jugoslawische Titoismus und der Postmarxismus.

Seine theoretischen Wurzeln hat der Marxismus unter anderem in der kritischen Auseinandersetzung mit der klassischen deutschen Philosophie (Kant, Hegel, Feuerbach), der klassischen englischen Nationalökonomie (Smith, Ricardo), dem französischen Frühsozialismus (Fourier, Saint-Simon, Blanqui, Proudhon) sowie den Historikern der französischen Restauration (Thierry, Guizot, Mignet). Vor allem Engels, Karl Kautsky und Lenin, aber auch Plechanow, Labriola, Trotzki und Rosa Luxemburg haben die weitere Entwicklung des Marxismus nachhaltig beeinflusst. In einer zweiten Phase nach dem Ersten Weltkrieg bis zu den 68er-Bewegungen erfuhr der Marxismus eine weitere Ausdifferenzierung durch Karl Korsch, Georg Lukács, Antonio Gramsci, Ernest Mandel, André Gorz, Herbert Marcuse, Theodor W. Adorno und Louis Althusser.

Mit der Zeit entwickelten sich eine eigenständige marxistische Philosophie und in vielen Disziplinen der Wissenschaften mit gesellschaftlichem Bezug eigene marxistische Strömungen – wie beispielsweise eine marxistische Soziologie, eine marxistische Wirtschaftstheorie, eine marxistische Literaturtheorie oder in der Psychoanalyse der Freudomarxismus.

Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Begriff „Marxismus“ war zunächst nicht Selbstbezeichnung einer Partei oder Gruppe, sondern wurde von außen an sie herangetragen. Schon in den 1850er Jahren gebrauchten Anhänger Weitlings den Begriff „Marxianer“. Innerhalb der Internationalen Arbeiterassoziation (1864–1876) kam es zu Konflikten zwischen Anarchisten („Bakuninisten“) und den dann von diesen so titulierten „Marxisten“.[1] Zu dieser Zeit wurde der Begriff Marxist auch zunehmend von Unterstützern gebraucht. In den späten 1870er Jahren distanzierte sich Marx selbst von einer Jugendfraktion französischer Sozialisten um Paul Lafargue und Jules Guesde, die sich als Marxisten bezeichneten, da sich diese „Jungen“ nach seiner Ansicht zu entschieden gegen die Idee des Reformismus wandten. In diesem Zusammenhang hat Marx laut Engels gesagt, er selbst sei kein Marxist.[2][3] Der Begriff „Marxismus“ lässt sich ab den 1880er Jahren feststellen, so z. B. in der 1882 erschienenen Schrift Le Marxisme et l’Internationale von Paul Brousse.

Marx und Engels wiederum führten das Begriffspaar „Wissenschaftlicher Sozialismus“ als Alternative zu „Marxismus“ ein. Damit grenzten sie sich von anderen Staats- und Gesellschaftsentwürfen ab, die sie dem „Utopischen Sozialismus“ oder dem Anarchismus zuordneten.[4] Allerdings gelang es Engels nicht, den Begriff „Wissenschaftlicher Sozialismus“ für ihre Anschauungen durchzusetzen. So finden sich von Engels nach dem Tod von Marx viele Briefstellen, in denen er sich abschätzig über den Begriff „Marxismus“ und seine Vertreter äußert. In einem Brief an Lafargue 1890 äußert er sich über die jungen Akademiker innerhalb der SPD, die „alle in Marxismus machen“, jedoch eigentlich auf eine Karriere aus wären, „und von denen Marx sagte: ‚Alles, was ich weiß, ist, daß ich kein Marxist bin!‘ Und wahrscheinlich würde er von diesen Herren das sagen, was Heine von seinen Nachahmern sagte: Ich habe Drachen gesät und Flöhe geerntet.“[5] An anderer Stelle schreibt er an Lafargue: „Wir haben Euch niemals anders genannt als ‘the so-called Marxists’, und ich wüßte nicht, wie man Euch anders nennen sollte. Habt Ihr einen anderen, ebenso kurzen Namen, dann macht ihn bekannt, und wir werden ihn mit Vergnügen und ohne Umstände anwenden.“[6] Zugleich musste Engels jedoch zunehmend erkennen, dass sich der Begriff Marxismus wohl durchsetzen würde: „Nun, wir waren siegreich, wir haben der Welt bewiesen, daß fast alle Sozialisten in Europa ‚Marxisten‘ sind (sie werden darüber verrückt werden, daß sie uns diesen Namen gegeben haben!)“[7] So schrieb er in Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie (Ausgabe von 1888): „Inzwischen hat die Marxsche Weltanschauung Vertreter gefunden weit über Deutschlands und Europas Grenzen hinaus und in allen gebildeten Sprachen der Welt.“ Und fügt später in einer Fußnote hinzu: „Ohne ihn [Anm.: Marx] wäre die Theorie heute bei weitem nicht das, was sie ist. Sie trägt daher auch mit Recht seinen Namen.“[8]

Neben dem Ausdruck „Wissenschaftlicher Sozialismus“ konnten sich auch später gebildete Synonyme wie Dialektischer Materialismus, Historischer Materialismus, Philosophie der Praxis, Wissenschaftlicher Kommunismus oder Marxismus-Leninismus und ähnliche Wortgruppen nicht gegen die Bezeichnung „Marxismus“ durchsetzen.

Theoriebildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Marx und Engels setzten sich mit verschiedenen Denktraditionen „wissenschaftlich-kritisch“ auseinander. Ihre Grundgedanken wurden erst nach ihrem Tod systematisiert. Eine solche Kanonisierung des Marxismus zu einer einheitlichen Lehre findet sich ansatzweise in den Schriften von Franz Mehring, Karl Kautsky, Antonio Labriola und Georgi W. Plechanow.[9] Die Einordnung der Anschauungen von Marx und Engels in eine konsistente Theorie steht unter einem doppelten Vorbehalt:

  • Marx verstand sein Werk zunächst als ständig überprüf- und revidierbare Analyse der jeweiligen Verhältnisse und als eine daraus abgeleitete Prognose.
  • Engels wollte die Theorie in allgemeinverständlicher Form verbreiten und trug einflussreiche konkrete Studien bei. Nach manchen Sichtweisen trug er auch zu ihrer Schematisierung und Vulgarisierung bei, nach anderen war er als der Konkretere seinem Freund als Forscher durchaus gewachsen.

Vor allem in den letzten Jahren ihrer Schaffensperiode führte zunehmend Engels vor allem mit Zeitungsartikeln eine öffentliche Auseinandersetzung mit Kritikern ihrer Theorien und setzte sich für die Verbreitung ihrer Ideen in der Arbeiterbewegung ein. Im Gegenzug dazu arbeitete Marx – oftmals in gesundheitlich schlechter Verfassung und in seinen letzten Lebensjahren begriffen – an seinem ökonomischen Spät- und Hauptwerk Das Kapital. Auf Grund ihrer engen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Kenntnis ihrer Schriften ist anzunehmen, dass diese „Arbeitsteilung“ von beiden Seiten gewollt war.[10]

Vor allem die „Orthodoxie“ der klassischen Sozialdemokratie und im Anschluss daran der Marxismus-Leninismus verstehen den Marxismus als theoretisches und praxisorientiertes System und als Weltanschauung. Die marxistische Theorie kann zum besseren Verständnis in drei große Kernbereiche unterschieden werden, die jedoch bei Marx und Engels untrennbar miteinander verflochten sind:

Um die Grundlagen des Marxismus besser zu verstehen, schlägt Lenin eine Einteilung der dafür wichtigsten theoretischen Auseinandersetzungen mit Denkern vor, die Marx und Engels wesentlich beeinflussten:[11]

In seinem bekannten Essay Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus schreibt Lenin:

„Die ganze Genialität Marx’ besteht gerade darin, dass er auf die Fragen Antworten gegeben hat, die das fortgeschrittene Denken der Menschheit bereits gestellt hatte. Seine Lehre entstand als direkte und unmittelbare Fortsetzung der Lehren der größten Vertreter der Philosophie, der politischen Ökonomie und des Sozialismus.“[11]

Die konsequente Fortsetzung des Marxismus durch die Sozialdemokratie und den Marxismus-Leninismus ist umstritten. So lehnten Marx und Engels nationalistische Konzepte laut eigener Aussage ab. Gegenüber dem nationalstaatlichen Denken vieler Zeitgenossen vertraten sie internationalistische Positionen, während z. B. die deutsche Sozialdemokratie 1914 dem Krieg gegen das zaristische Russische Reich zustimmte. Nachdem der Kapitalismus mit seinem Weltmarkt ein international agierendes System ist, sei nach Marx und Engels auch seine vollständige Überwindung letztlich nur im internationalen Rahmen zu verwirklichen (Weltrevolution). Diese Ansicht wurde jedoch später vom Marxismus-Leninismus in den 1930er Jahren endgültig durch die Theorie vom Aufbau des Sozialismus in einem Land (Sowjetunion) verdrängt beziehungsweise zurückgestellt. Die Lage in Mittel- und Westeuropa wurde so eingeschätzt, dass die revolutionäre Bestrebung dort gescheitert sei, eine Weltrevolution war ausgeblieben. In der Kommunistischen Internationale ordneten sich alle Länder der neuen Doktrin unter.

Strömungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Begründung des Marxismus durch Marx und Engels haben sich verschiedene marxistisch beeinflusste Richtungen entwickelt, die jeweils das Erbe der „Klassiker“ beanspruchten und sich voneinander abgrenzten. Heute firmieren unter der Bezeichnung „Marxismus“ sehr verschiedene Strömungen, die teilweise nur noch entfernt mit dem Fundament der Werke von Marx und Engels verbunden sind. Diese Strömungen des Marxismus wurden wiederum durch verschiedene Theoretiker vertreten und weiterentwickelt, die sich von unterschiedlichen Denkansätzen her dem vielschichtigen Werk von Marx und Engels genähert und eigene Strömungen des Marxismus begründet oder vorhandene Strömungen nachhaltig beeinflusst haben. Am stärksten innerhalb der universitären Wissenschaft verankert ist der Marxismus zurzeit in den USA (Stand: November 2006).[12]

Orthodoxer Marxismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der orthodoxe Marxismus der klassischen Sozialdemokratie (etwa bis zum Ersten Weltkrieg) orientierte sich eng an den Schriften von Marx und Engels. Mit der Spaltung der russischen Sozialdemokratie in Menschewiki und Bolschewiki und der Gründung des „marxistischen Zentrums“ (Zentrismus (Marxismus)) um Karl Kautsky Anfang des 20. Jahrhunderts spaltete sich der orthodoxe Marxismus in einen reformistischen und einen revolutionären Flügel. Letzterer konzentriert sich als revolutionärer Marxismus auf die Weiterentwicklung und revolutionäre Umsetzung des Marxismus. Eine besondere Ausformung des orthodoxen Marxismus ist der Austromarxismus, der zwischen Sozialreform und Revolution schwankt und dadurch die Herausbildung (und Abspaltung) eines starken revolutionär-marxistischen Flügels im Österreich der Zwischenkriegszeit verhindern konnte.

Revisionismus/Reformismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Revisionismus bzw. Reformismus um Eduard Bernstein lehnte im Gegensatz zum orthodoxen Marxismus alle radikalen und revolutionären Aspekte des Marxismus ab und erachtete auf Grund der veränderten ökonomischen Bedingungen (Imperialismus) einen gemäßigten Weg zum Sozialismus als möglich. Spätestens nach der Spaltung der sozialdemokratischen Parteien in sozialistische und kommunistische Parteien nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Revisionismus mit seiner politischen Praxis des Reformismus zur Hauptströmung innerhalb der Sozialistischen Internationale, deren Sektionen sich in den meisten Ländern inzwischen vollkommen von einer marxistischen Weltanschauung losgesagt haben.

Sowjetmarxismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sowjetmarxismus oder Marxismus-Leninismus (ab 1924) (von Kritikern meist als Stalinismus bezeichnet) berief sich auf den orthodoxen Marxismus und beanspruchte, diesen an die neuen Gegebenheiten (Imperialismus und Monopolkapitalismus) angepasst zu haben. Denselben Anspruch erhebt der Trotzkismus, der mit seiner Theorie der permanenten Revolution die Theorie vom Sozialismus in einem Land ablehnt und eine kritische Distanz zum Realsozialismus bewahrt. Sowohl der Marxismus-Leninismus als auch der Trotzkismus sehen sich in der Nachfolge der Bolschewiki unter Lenin.[13] Auf den Marxismus-Leninismus beriefen sich auch viele Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“, aus denen sich oftmals eigenständige politische Systeme entwickelten, wie zum Beispiel die heute noch bestehenden Systeme Chinas (Maoismus), Nordkoreas (Chuch’e-Ideologie), Kubas oder Vietnams.

Neomarxismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Westlicher Marxismus und Neomarxismus sind Sammelbegriffe für Theorien insbesondere der Neuen Linken, die in Abgrenzung zum Realsozialismus versuchen, die Kernaussagen des Marxismus an die inzwischen geänderten sozialen und ökonomischen Bedingungen anzupassen. Es existieren hier die verschiedensten Ausformungen wie zum Beispiel jene der britischen New-Left-Gruppe (E. P. Thompson, Perry Anderson), eine der frühesten nach dem Ungarn-Aufstand entstanden, des Reform- und Eurokommunismus westeuropäischer kommunistischer Parteien, des italienischen Operaismus sowie der Frankfurter Schule. Unter dem Begriff des Postmarxismus versammeln sich die Antideutschen und die Wertkritiker. Gelegentlich wird auch der Titoismus zum Neomarxismus gezählt. Zentral für den Neomarxismus waren die Schriften von Karl Korsch, Antonio Gramsci, Georg Lukács, Ernst Bloch, Ernest Mandel, Louis Althusser, Roman Rosdolsky, Leo Kofler und anderer. In Lateinamerika spielt der westliche Marxismus weiterhin eine wichtige Rolle, zentral sind dabei Schriften von Adolfo Sánchez Vázquez und Bolívar Echeverría.[14]

Theorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Philosophie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831)
Ludwig Feuerbach (1804–1872)

Obwohl Marx und Engels in erster Linie eine Philosophiekritik und Ideologiekritik betrieben, welche die Emanzipation des Menschen anstrebte, wird der Marxismus selbst gelegentlich als humanistisch geprägte philosophische Lehre verstanden. Erkenntnis- und wissenschaftstheoretisch ist der Marxismus von zwei wesentlichen Elementen geprägt: Von der Dialektik Hegels und vom erkenntnistheoretischen Materialismus (Feuerbachs). Lenin bezeichnet den Materialismus als die Philosophie des Marxismus.[11] Marx hat bereits 1845 die Philosophen in seinem berühmt gewordenen Satz kritisiert:

„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“[15]

Im Gegensatz zum philosophischen Idealismus vertritt der Marxismus die Ansicht, dass alle Ideen, Vorstellungen und Gedanken aus der komplexen, insbesondere gesellschaftlichen Realität und den sie beinhaltenden Machtverhältnissen erwachsen, die sich „in letzter Instanz“ aus den jeweils historisch-geographischen Produktionsverhältnissen und materiellen Gegebenheiten entwickeln würden. Marx und Engels übernahmen – von den Junghegelianern beeinflusst – das materialistische Weltbild Feuerbachs und ergänzten aus dem Werk Hegels die Dialektik und den damit verbundenen Gedanken ständiger Entwicklung.

Marx und Engels überwanden somit die in ihren Augen einseitige Sichtweise der mechanischen Materialisten, die die Welt als unveränderlich verstanden.[11] 1843 übernimmt Karl Marx von Hegel die Denkfigur der Dialektik sowie die Annahme einer Gesetzmäßigkeit der Geschichte. Diese führt er jedoch anders als Hegel nicht auf die Entfaltung des „Weltgeists“ zurück, sondern auf materielle, soziale Bedingungen und Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft.

Lenin bezeichnet die philosophischen Anschauungen von Marx und Engels als dialektischen Materialismus, obwohl sie diesen Begriff selbst nicht benutzten. Lenin bezeichnet die materialistische Dialektik von Marx und Engels als

„die Lehre von der Relativität des menschlichen Wissens, das uns eine Widerspiegelung der sich ewig entwickelnden Materie gibt.“[11]

In der Entdeckung des Radiums, des Elektrons sowie der Verwandlung der Elemente sieht Lenin eine Bestätigung dieser Ansichten, die das idealistische Postulat des ewigen Stillstands widerlegen würden.[11] Nach der hegelschen Dialektik ist das Abbild der Welt im tätigen Begreifen ihrer Zusammenhänge von aufeinander bezogenen Gegensätzen – Thesen und Antithesen – geprägt, die sich gegenseitig im dialektischen Dreischritt zu Synthesen vorwärtsentwickeln. Diese Synthesen treiben die „objektive Wirklichkeit“ voran und „bestimmen“ damit die Zukunft, bis diese keine Widersprüche mehr enthält und im Begriff des „Absoluten“ „aufgehoben“ ist. Für den idealistischen Philosophen ist dieser Fortschritt, der die materielle Welt insgesamt durchwirkt, ein Produkt des menschlichen Geistes, der im Begreifen seiner selbst mit dem absoluten „Weltgeist“ identisch wird.

Marx betrachtet die hegelsche Dialektik aus Sicht des Materialismus: Er stellt sie „vom Kopf auf die Füße“ und postuliert, dass sich die objektive Wirklichkeit aus ihrer materiellen Existenz und deren Entwicklung erklären lässt und nicht als Verwirklichung einer göttlichen absoluten Idee oder als Produkt des menschlichen Denkens.

„Meine dialektische Methode ist der Grundlage nach von der Hegelschen nicht nur verschieden, sondern ihr direktes Gegentheil. Für Hegel ist der Denkproceß, den er sogar unter dem Namen Idee in ein selbständiges Subjekt verwandelt, der Demiurg des wirklichen, das nur seine äußere Erscheinung bildet. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts andres als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.“[16]

Das Universum wird wie in der universalhistorischen Philosophie Hegels als eine Totalität, also als objektiv zusammenhängendes Ganzes gesehen. Aber Marx versteht die im Idealismus bloß geistigen Gegensätze als Ausdruck und Abbild realer, materieller Gegensätze: Auch diese hingen gegenseitig voneinander ab und befänden sich in einer ständigen Bewegung wechselseitiger Beeinflussung. Diese sei insgesamt aufsteigend, d. h., sie komme im Ganzen[17] vom Einfachen zum Komplexen und durchlaufe dabei bestimmte Ebenen, denen bestimmte qualitative Veränderungen entsprächen, so dass sie die Entwicklung vorantrieben.

Eine objektive Realität existiert nach dieser Sichtweise auch außerhalb und unabhängig vom menschlichen Bewusstsein in den materiellen Bewegungen, auf die jedoch die Menschen (selbst ein Teil des Materiellen) bewusst zurückwirken. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die Menschen ihre Umwelt objektiv richtig erfassen; Marx und Engels wollen gerade der ideologischen Selbsttäuschung, dem falschen Bewusstsein von der Umwelt, daher der Problematik der Subjekt-Objekt-Spaltung, entkommen:

  • Das richtige Verständnis der Bewegungsgesetze von Phänomenen und Ereignissen kann immer nur von der Analyse der Praxis ausgehen und nie von einer idealistischen „Schrulle“, da diese letztere ein Phänomen nicht aus seinen materiellen Ursprüngen[18] herleiten kann.
Nicht in der geträumten Unabhängigkeit von den Naturgesetzen[19] liegt die Freiheit, sondern in der Erkenntnis dieser Gesetze, und in der damit gegebnen Möglichkeit, sie planmäßig zu bestimmten Zwecken wirken zu lassen.[20]
  • Damit ist auch bereits das Verhältnis von Abstraktem und Konkretem angesprochen (aus der Praxis abstrakte Schlüsse ziehen, aus den abstrakten Schlüssen wieder konkrete Praxis entwickeln):
Das Konkrete ist konkret, weil es die Zusammenfassung vieler Bestimmungen ist, also Einheit des Mannigfaltigen. Im Denken erscheint es daher als Prozeß der Zusammenfassung, als Resultat, nicht als Ausgangspunkt, obgleich es der wirkliche Ausgangspunkt und daher auch der Ausgangspunkt der Anschauung und der Vorstellung ist. Im ersten Weg wurde die volle Vorstellung zu abstrakter Bestimmung verflüchtigt; im zweiten führen die abstrakten Bestimmungen zur Reproduktion des Konkreten im Weg des Denkens.[21]
  • Prüfstein für die Richtigkeit von Annahmen oder Theorien (= relative Wahrheit) ist dann wiederum die eigene Praxis, in der sich die Theorie als richtig oder falsch erweist.
Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme – ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit … seines Denkens beweisen.[22]
Diese Überprüfung sei notwendig, da das Bewusstsein des Menschen immer durch seine Interaktionen mit der Umwelt, also durch das Sein, bestimmt werde.

Diese Annahme erfährt ihre stärkste Wirkung, wenn man über zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen Überlegungen anstelle; in diesem Sinne wird jeglichem Utopismus eine Absage erteilt.[23] Nach einer materialistischen Weltanschauung muss „die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens“ das „bestimmende Moment in der Geschichte“ werden,[24] die Arbeit daher eine zentrale Kategorie für das Individuum selbst und die gesellschaftliche Entwicklung sein. Daher werden alle Gesellschaftsordnungen maßgebend durch ökonomische Bewegungsgesetze bestimmt:

„In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamtheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt.“[25]

Die Konsequenz dieser Sichtweise ist eine umfassende Kritik an Religion, Recht und Moral. Diese begreift Marx als Produkte der betreffenden materiellen Verhältnisse, deren Wandel auch sie unterworfen sind. Religion, Recht und Moral hätten also nicht die universelle Gültigkeit, die sie beanspruchen.

Historischer Materialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der historische Materialismus ist die Anwendung der Leitsätze des dialektischen Materialismus auf die Erforschung der Gesellschaft und ihre Geschichte. Demnach lässt sich auch die Entwicklung einer Gesellschaft wissenschaftlich erklären: Durch den Klassenkampf befinden sich die sozialen Verhältnisse zwischen den Klassen in einer ununterbrochenen Bewegung. Die Produktivkräfte (Arbeitskräfte und Produktionsmittel) entwickeln sich im Laufe der Zeit, bis sie mit den Produktionsverhältnissen (Arbeitsteilung und Besitzverteilung) in Widerspruch geraten. Marx sieht die Produktionsverhältnisse als „Fesseln“, welche ein Hindernis für die weitere Entwicklung der Produktivkräfte bilden. Die Unterklassen sind stets darauf bedacht, die Produktionsverhältnisse zu ihrem Vorteil zu verändern. Dies hat zur Folge, dass neue herrschende Klassen zustande kommen und der Klassenkampf erneut anfängt.

Marx unterscheidet zwischen folgenden geschichtlichen Entwicklungsstufen der Gesellschaft:

  • Stammes- oder Urgesellschaft, auch Urkommunismus
  • Sklavenhaltergesellschaft
  • Feudale Gesellschaft
  • Kapitalistische Gesellschaft

Nach der Überwindung des Kapitalismus folgen zwangsläufig:

Die Geschichte einer Gesellschaft ist eine (naturgesetzliche) Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen, von Niederem zu Höherem. Deshalb sei der Kommunismus zukünftig unvermeidbar. Der Kapitalismus führe nach Marx’ Ansicht in immer größere Krisen. Die sozialistische Gesellschaft wird demzufolge die kapitalistische Gesellschaft ersetzen, genauso wie die kapitalistische Gesellschaft die feudale Ordnung ersetzt habe. Der Klassenkampf ende erst in der kommunistischen Ordnung, in der der Gegensatz von Herr und Diener aufgehoben sei.

Politische Ökonomie (Kapitalismusanalyse)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem mit dem dialektischen Materialismus eine erkenntnistheoretische Position entwickelt wurde, und mit dem Historischen Materialismus eine allgemeine Geschichts- und Gesellschaftstheorie, war Marx seiner Analyse der gegenwärtigen, konkreten Gesellschaft bedeutend näher gekommen. Der nächste notwendige Schritt war nun für ihn, die ökonomischen Bewegungsgesetze in kapitalistischen Gesellschaften zu studieren, da nach der Theorie des historischen Materialismus die Produktionsweise einer Gesellschaft bedeutend für ihre Entwicklung ist. Herzstück seines Werks ist die Kritik der politischen Ökonomie in den drei Bänden des Kapitals. Die Gesetzmäßigkeiten der Ausbeutung im herrschenden Kapitalismus, die Entstehung der modernen Klassengesellschaft und der Konzentrationsprozess des Kapitals werden sowohl mikro- wie makroökonomisch differenziert analysiert. Dabei griff Marx auf Vorarbeiten der Nationalökonomie, z. B. von Adam Smith und David Ricardo, zurück. Werttheorie, Verelendungs- und Krisentheorie sind wichtige Bestandteile dieser Analyse.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rosa Luxemburg (1871–1919)
Leo Trotzki (1879–1940)

Das von Marx und Engels entworfene Theoriegebäude war und ist Bezugspunkt für verschiedenste politische und wissenschaftliche Denkrichtungen. Praktische Anwendung fand der Marxismus zuerst in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts, vor allem der deutschen Sozialdemokratie, welche die Theorien von Marx und Engels zur Grundlage ihrer ersten Programme und Mitgliederschulungen machte. Sodann entwickelte Lenin im Anschluss an Marx seine Imperialismustheorie, die nach der Oktoberrevolution 1917, zusammen mit den Ideen von Marx und Engels, zur neuen Staatsideologie der Sowjetunion wurde. Lenin verstand sich selbst jedoch nicht als Begründer einer neuen Strömung, sondern als Verteidiger des Marxismus. Nach Lenins Tod sprach man dann aber allgemein vom Leninismus, der einen an die russischen Verhältnisse angepassten Marxismus darstellt. Später veränderte Josef Stalin den Leninismus mit der Theorie des „Sozialismus in einem Land“ zum sogenannten Konstrukt des Marxismus-Leninismus.

Dieser Marxismus-Leninismus bestimmte den so genannten real existierenden Sozialismus nach 1945 in weiten Teilen der Welt, vor allem in Ost- und Mitteleuropa, und wirkte auch mit starkem Einfluss auf China, Kuba, Nordkorea, oder Vietnam. Ob und wie weit dieser sich noch aus den Grundideen der „Klassiker“ herleiten lässt oder eine „Fehlentwicklung“ darstellt, ist eine der umstrittensten Fragen innerhalb der marxistischen Theoriebildung. Die praktische Politik dieser Länder wird bis heute vom Stalinismus beherrscht. Heute wird das Gulag-Regime weitgehend als totalitäres System eingeordnet und von fast allen Marxisten abgelehnt. Gegen die unterschiedlichen Ideologien von Stalin und Mao beansprucht auch der von Leo Trotzki entwickelte Trotzkismus mit seiner Theorie der „permanenten Revolution“ das wahre Erbe von Marx bzw. Lenin. Hinzu kommen die Strömungen des westlichen Marxismus, die sich Anfang der 1920er Jahre in kritischer Reflexion zum Marxismus Lenins entwickelten.

Eine davon ist die Frankfurter Schule, die versuchte, die Ideen von Marx auf die veränderten politisch-ökonomischen Bedingungen der Moderne anzuwenden und teils mit der Psychoanalyse zu verbinden. Ein Bindeglied zwischen westlichem Marxismus und Marxismus-Leninismus stellen die schriften von Antonio Gramsci, aber auch Georg Lukacs dar. Beide beziehen sich teils positiv auf den Parteikommunismus, wurden aber auch von Kritikern des Leninismus rezipiert. Im Gegensatz zum Marxismus-Leninismus haben die verschiedenen Strömungen des Westlichen Marxismus einen eher analytischen Zugang - im Vordergrund steht das Verstehen des Kapitalismus.

Aus den Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ entwickelten sich oftmals politische Systeme, wie zum Beispiel die heute noch bestehenden Systeme Chinas (früher Maoismus), Vietnams oder Kubas.

In den 1960er Jahren entstanden besonders im Zusammenhang mit der weltweiten Studentenbewegung, den westeuropäischen Arbeiterstreiks und den so genannten Befreiungsbewegungen in der „Dritten Welt“ verschiedene Formen des Neomarxismus, des Eurokommunismus (insbesondere des Operaismus und Titoismus) und des demokratischen Sozialismus.

Geschichte marxistischer Organisationen

Die Schriften von Karl Marx und Friedrich Engels sind bis heute theoretisches Gerüst für verschiedene Organisationen und Parteien in allen Teilen der Welt.

In vielen Staaten Europas formierten sich erst kleinere Organisationen und daraus später, Parteien, deren Geschichte Parallelen aufweist. Mit Aufkommen des Nationalsozialismus wurden viele Organisationen aufgelöst und in den Widerstand gedrängt, nach 1945 befanden sich marxistische Organisationen vor allem in einer Auseinandersetzung mit der pluralistischen Demokratie des Westens und der Sozialdemokratie auf der einen Seite, und dem „Realsozialismus“ und der KPdSU auf der anderen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion entwickelte sich vornehmlich in Russland ein postsowjetischer Marxismus.

Kontroversen um den Marxismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitgenössisches Graffito unterstreicht Marxismus-Kontroversen: Marx lesen Marx verstehen!

Seit der Veröffentlichung der ersten marxistischen Schriften formierte sich Kritik an fast jedem Teilbereich der Theorie und auch an Wissenschaftlern, die im Marxismus begründete Methoden anwenden. Marx selbst war Kritik gegenüber offen: „Jedes Urteil wissenschaftlicher Kritik ist mir willkommen.“[26] Zum Beispiel gibt es nicht ganz widerspruchslose Betrachtungen über gesellschaftliche Voraussetzungen für eine sozialistische Revolution. In Marx’ Brief an Wera Sassulitsch (1881) bezog sich Marx auf die Situation im damaligen Russland, welches als rückständiges Agrarland angesehen wurde, in dem es noch keine große Anzahl von Industriearbeitern gab. Betrachtet wurde dabei die russische Dorfkommune, in der bereits Gemeinbesitz vorherrschte, die Marx unter Vorbehalt als möglichen „Stützpunkt der sozialen Wiedergeburt Rußlands“ betrachtete. Das Proletariat sollte nach Marx jedoch im Normalfall Wegbereiter einer Revolution sein, davon nahm er auch nie Abstand. Bekanntlich ereignete sich später (1917) in Russland mit der Oktoberrevolution eine Revolution, die sich gegen die kapitalistische Klassengesellschaft richtete, und von Lenin und den Bolschewiki, die sich als Vorhut der Arbeiterklasse verstanden, angeführt wurde. Allerdings galt Russland zu dieser Zeit weiterhin als ein überwiegendes Agrarland. Marx schlussfolgerte nicht erst, aber verstärkt, nach den Erfahrungen der Pariser Kommune (1871), dass das Proletariat die Eroberung der politischen Macht anstreben solle und dafür die Konstituierung politischer Parteien notwendig sei. Dazu kam Marx ebenfalls aus den Erfahrungen der Pariser Kommune zu der Erkenntnis, dass „die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann“[27] und in Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852) hatte er bereits geschrieben: „Alle Umwälzungen“ [der Gesellschaft] „vervollkommneten diese Maschine statt sie zu brechen“.[28] Manche Formulierungen bei Marx sind also nicht eindeutig. Nach Lenins Interpretation bestand „Der Marx’sche Gedanke […] gerade darin, dass die Arbeiterklasse ‚die fertige Staatsmaschine‘ zerschlagen, zerbrechen muss und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung beschränken darf. […] In diesen Worten: ‚die bürokratisch-militärische Maschinerie zu zerbrechen‘, ist“, nach Lenins Interpretation, „kurz ausgedrückt, die Hauptlehre des Marxismus von den Aufgaben des Proletariats in der Revolution gegenüber dem Staat enthalten.“[29] Marx machte keine konkreten Angaben zur politischen Ordnung einer kommunistischen Gesellschaft. Die Kritik am Marxismus hat sich im 20. Jahrhundert im Laufe der Entstehung der sich auf Marx berufenden Staatssysteme verschärft. Sie greift vor allem inhumane Politik und ökonomische Ineffizienz im „Realsozialismus“ als Ergebnis marxistischer Theorie an. Neomarxistische Kritiker dagegen wenden die marxsche Theorie auf diese Systeme selber an, um ihre Entwicklung und das praktische Scheitern der behaupteten Gesellschaftsziele zu erklären.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Portal: Marxismus – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Marxismus

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Primärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Lexika, Wörterbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weitere[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Marxismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Marxismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
„Klassische“ marxistische Texte
Lexikon

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie: Marxismus, Bd. 5, S. 758.
  2. Der einzige erhaltene Hinweis auf diese Aussage von Karl Marx findet sich in einem Brief von Friedrich Engels an Eduard Bernstein vom 2.–3. November 1882. Marx-Engels-Werke. Band 35, S. 388 (Online-Version (Memento des Originals vom 20. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dearchiv.de) und in abgeänderter Form in einem weiteren Brief an Conrad Schmidt vom 5. August 1890. Marx-Engels-Werke. Band 37, S. 436 (Online-Version (Memento des Originals vom 20. Mai 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dearchiv.de).
    Version an Bernstein:
    französisch « Ce qu’il y a de certain c’est que moi, je ne suis pas Marxiste. »
    deutsch „Eines ist sicher (was mich betrifft), ich bin kein Marxist.“
    Version an Schmidt:
    frz. « Tout ce que je sais, c’est que je ne suis pas Marxiste. »
    dt. „Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist bin.“
  3. Bert Andréas: „Ich bin kein Marxist“.Aus der Schweiz erhielten wir folgende Zuschrift zu einem in Nr. 10 der AZ veröffentlichten Beitrag von Gustav Wyneken. In: Die Andere Zeitung. Hamburg 1958, Nr. 12 vom 20. März 1958. Gedruckt in: Jacques Grandjonc: Une vie d’exile. Bert Andréas 1914–1984. Trier 1987, S. 62–63 (= Schriften aus dem Karl-Marx-Haus, Beiheft).
  4. Karl Marx: Konspekt von Bakunins Buch ‚Staatlichkeit und Anarchie‘. 1874/75, MEW 18, S. 635 f. (online, abgerufen am 3. Mai 2009).
    Karl Marx: Vorbemerkung zur französischen Ausgabe von Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, 4./5. Mai 1880, MEW 19, S. 181–185 (online, abgerufen am 3. Mai 2009).
  5. Engels an Lafargue, MEW 37, 450
  6. Engels an Lafargue, MEW 37, 202
  7. Engels, MEW 37, 235
  8. Engels, MEW 21, 291
  9. Vgl. Karl Vorländer: Jüngere Marxisten. In: Ders.: Geschichte der Philosophie. 1903, 3. Auflage 1911 (Online-Version; abgerufen am 26. Mai 2008).
  10. Engels selbst bemerkte, dass „der größte Teil der leitenden Grundgedanken, besonders auf ökonomischem und geschichtlichem Gebiet, und speziell ihre schließliche scharfe Fassung Marx gehört.“
    Friedrich Engels: Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie. 1886. MEW Bd. 21, Karl Dietz Verlag Berlin, 5. Auflage 1975, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 291/307 (Online-Version; geprüft am 26. Mai 2008).
  11. a b c d e f Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus. In: Proswenschtschenije Nr. 3, März 1913. Lenin Werke, Bd. 19, S. 3–9 (Online-Version; geprüft am 14. Mai 2008).
  12. Rainer Rilling bemerkte hierzu in seinem Bericht zur Marxismus-Konferenz 2006 an der University of Massachusetts:

    „Die Tagung gibt Grund für die Annahme, dass es in keinem kapitalistischen Land der Gegenwart einen solch starken akademischen Marxismus gibt, der im Übrigen keineswegs nur aus mobil gebliebenen Alt-68’ern besteht – ganz im Gegenteil. Umso bemerkenswerter ist es, dass es den Erfindern und Machern der Zeitschrift ‚Rethinking Marxism‘ gelungen ist, ihr Konferenzprojekt bis hin zur Finanzierung im akademischen Normalraum fest zu verankern. Schließlich ist akademischer Marxismus keine politische Gefahr, wenn die Gesellschaft und ihre Subjekte nicht zu ihm hin treiben.“

    Rainer Rilling: Rethinking Marxism. Ein Bericht, November 2006 (Online-Version; geprüft am 17. Januar 2011).

  13. Vgl. Josef Stalin: Auf dem Wege zum Oktober. Sowjetischer Staatsverlag, 1925; insbesondere die Teile:
    Josef Stalin: Trotzkismus oder Leninismus? Rede auf dem Plenum der kommunistischen Fraktion des Zentralrats der Gewerkschaften der Sowjetunion. 19. November 1924 (Online-Version (Memento des Originals vom 4. Mai 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stalinwerke.de; geprüft am 15. Mai 2008) und
    Josef Stalin: Über zwei Besonderheiten der Oktoberrevolution, oder der Oktober und Trotzkis Theorie der „Permanenten“ Revolution. In: Ders.: Die Oktoberrevolution und die Taktik der russischen Kommunisten. (Online-Version (Memento des Originals vom 4. Mai 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stalinwerke.de; geprüft am 15. Mai 2008. Vorwort zu dem Buch „Auf dem Wege zum Oktober“).
    Beide in: Stalin Werke, Bd. 6, 1924.
    Leo Trotzki: Was ist nun die Permanente Revolution? Grundsätze (Schlussfolgerungen). In: Ders.: Die permanente Revolution. Arbeiterpresse Verlag, Essen 1993, S. 183–189 (Online-Version; geprüft am 15. Mai 2008).
    Bill Van Auken: Sozialismus in einem Land oder Permanente Revolution. Internationales Komitee der Vierten Internationale (IKVI), 27. September 2005 (Online-Version; geprüft am 15. Mai 2008).
  14. Vgl.: Stefan Gandler: Kritischer Marxismus in Mexiko. Adolfo Sánchez Vázquez und Bolívar Echeverría. Zu Klampen, Lüneburg 2023, ISBN 978-3-86674-838-5.
  15. Karl Marx: ad Feuerbach in Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung IV. Bd. 3, S. 21, 1888 durch Engels überarbeitet und erstveröffentlicht.
  16. Karl Marx: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band. Otto Meißner, Hamburg 1872, S. 821 f. (Marx-Engels Gesamtausgabe Abteilung II. Bd. 6, Dietz Verlag, Berlin 1987, S. 709) Marx, „Das Kapital“, Nachwort zur zweiten Auflage
  17. Also abgesehen von etwaigen Stagnationen, Rückschlägen oder auch Niederlagen.
  18. Zum Beispiel der gesellschaftlichen Praxis oder einem naturwissenschaftlichen Versuch
  19. Der Begriff sollte nicht fälschlicherweise mit der modernen Begriffsnutzung gleichgesetzt werden
  20. Engels, Anti-Dühring
  21. Karl Marx’ Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie (MEW 13), S. 632.
  22. Marx, 2. These über Feuerbach
  23. Selbstverständlich bilden utopische Gedanken eine wichtige Basis für die Theorien von Marx und Engels; ihr Ziel war es aber, deren soziale Grundgedanken auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen.
  24. Brief von Engels an Joseph Bloch, 1890
  25. Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Vorwort. MEW 13, S. 9, 1859.
  26. Das Kapital, Vorwort zur ersten Auflage.
  27. Marx, Engels: Vorwort zum „Manifest der Kommunistischen Partei“ (deutsche Ausgabe 1872)
  28. Karl Marx: Der Achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. (MEW 8), S. 196 f.
  29. Lenin: Staat und Revolution. In: Lenin Werke, Band 25, S. 393–507

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